
4 Fragen an Isabella Stern, Psychologin in der Neonatologie des Dr. v. Haunerschen Kinderspitals
am Standort Großhadern
Maria: Isabella, ich kenne dich seit über 6 Jahren - du hast meine Familie begleitet rund um das Leben und Sterben unseres Sohnes auf der Neugeborenen-Intensivstation. Neben deiner Tätigkeit in der Begleitung der Eltern, die dort, manchmal nach langer Frühgeborenen-Zeit, mit ihrem Kind nach Hause gehen - begleitet ihr auch ganz speziell die Eltern, deren Kind verstirbt.
Isabella: Wow, 6 Jahre sind das schon. Ich erinnere mich gut an Dich und Deine Familie und das Begrüßen und Verabschieden von Eurem Sohn und Bruder. Damals gab es SAVE® noch nicht. Wir haben uns auf der Station verabschiedet und Euch in eine Zukunft gehen lassen, von der wir hofften, dass ihr Begleitung findet, wenn ihr sie Euch wünscht, Euch mit Kontakten ausgestattet und versprochen in nächster Zeit mal zu telefonieren...
Seit 2019 können wir Eltern, deren Kind auf der Neugeborenen Intensivstation verstirbt eine Nachsorge anbieten: SAVE® = SupportteAm für frühVerwaiste Eltern. Für einen Zeitraum von ca. 12 Wochen begleitet eine Kinderkrankenschwester mit Zusatzausbildung in der Trauerbegleitung frühverwaiste Eltern von der Station noch ins heimische Setting. Sie beantwortet Fragen, koordiniert, wenn gewünscht, Termine und hält gemeinsam mit den Familien das Unaushaltbare aus. Das Besondere daran ist, dass die SAVE-Pflegekraft das Kind und die Familie möglicherweise schon von der Zeit auf der Station kennt und somit zu einem extrem kleinen Personenkreis zählt, die das Kind lebendig kennenlernen konnte. Über die Zeit der Begleitung erarbeitet sie mit den Familien ebenfalls den Bedarf an fortführender, längerfristiger Trauerbegleitung durch vor Ort etablierte Organisationen für verwaiste Eltern. Ein absolutes Herzensprojekt.
Maria: Neben der Arbeit auf der Neonatologie gehst du immer wieder auch in den Kreißsaal oder die gynäkologische Station und begleitest die Eltern nach früher Fehlgeburt, richtig?
Isabella: Ja, das stimmt. Die Begleitung von Familien mit frühen Verlusten hat zuletzt zugenommen und stellt einen wichtigen Bestandteil der psychosozialen Elternbegleitung am LMU Klinikum Großhadern dar.
Maria: Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen diese Familien?
Isabella: Viele Themen, die die Eltern nach frühen Verlusten besprechen wollen, unterscheiden sich gar nicht so sehr von den Eltern, die ihr Kind noch einige Tage oder Wochen kennenlernen konnten. Alle Eltern eint eine große Liebe für ein Kind, das viel zu kurz bei ihnen sein konnte. Als besondere Herausforderung sehe ich bislang die fehlende Möglichkeit, dass diese Frauen Mutterschutz bekommen. Zum Glück ändert sich das ja nun jetzt im Juni 2025.
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Trauer von Eltern, deren Kind in einer frühen Schwangerschaftswoche verstirbt, gesellschaftlich weniger akzeptiert sein könnte. Eltern berichten immer wieder von unpassenden Kommentaren wie "Ihr könnt ja noch eines bekommen." "Zum Glück ist es so früh passiert." Ich glaube diese Aussagen sind nicht böse gemeint und kommen aus einer großen Verunsicherung. Ich hoffe zukünftig kann sich die
Sichtbarkeit und Akzeptanz von trauernden Eltern nach frühen Schwangerschaftsverlusten verbessern, auch weil es den Mutterschutz geben wird.
Maria: Was wünscht du Sternenkindfamilien?
Isabella: Dass sie ein neues Normal finden und genug Kraft und Mut aufbringen können, ihre
Trauer anzunehmen und ihrem Kind einen sicheren Platz in ihrem Leben geben können.